Etwa 4,5 Jahre hat Eike Langbehn über Fortbewegungstechniken in virtuellen Welten geforscht. Seine Doktorarbeit hat er nun geschafft – das Forschen auf diesem Gebiet geht aber weiter. Gerade gründet er eine Firma (Space Walk), zur Weiterentwicklung einer Software, mit der User sich in VR-Welten weitgehend uneingeschränkt bewegen können. VRtual X hat eine Kooperation mit Eike Langbehn geschlossen, um die Neuerungen in den eigenen Produkten einsetzen zu können. Wir sprachen mit ihm über Fortbewegungsmöglichkeiten in der virtuellen Welt und seine Vision von VR in Unternehmen.
Vor welchen Herausforderungen stehen VR-Entwickler?
Die virtuelle Realität möchte langfristig alle Sinne ansprechen. Es wird viel in Richtung „Anfassen von Objekten“ geforscht. Denn aktuell mangelt es noch bei den Möglichkeiten zum haptischen Feedback. Auch die aktuellen Lösungen bezüglich Fortbewegung in der virtuellen Welt müssen noch optimiert werden. Die Fortbewegungsarten derzeit haben viele Mankos. Die meisten führen nicht zur gewünschten Immersion, dafür aber oft zur Motion Sickness. Da sind wir dran.
Wie sehen die aktuellen Lösungen aus?
Es gibt Anwendungen, die die Teleportationstechnik nutzen. Der User zeigt auf einen Punkt in der virtuellen Welt, klickt und sofort ändert sich das Bild, das ihn umgibt. Der User ist also sofort dort, wo er sein will, ohne dass es eine visuelle Bewegung gab und ohne dass der User sich bewegen musste. Motion Sickness ist hier selten. Doch bei dieser Fortbewegungsart hat der User eine schlechte räumliche Orientierung und die Immersion, also das Gefühl wirklich in der virtuellen Welt zu sein, ist gering.
Welche Fortbewegungsmöglichkeiten gibt es noch?
In einigen VR-Anwendungen für Bauingenieure und Architekten fliegen die User durch das Objekt. Auch diese Lösung führt nicht zur Immersion. Zudem löst die Fortbewegungsmethode bei vielen Motion Sickness aus. Um der Übelkeit vorzubeugen, sollten die Sinneseindrücke, die der User über die VR-Brille vermittelt bekommt, möglichst identisch sein mit denen, die sein Körper erfährt. Es ist also am besten, wenn der User durch die virtuelle Welt läuft. Das ist bei Redirected Walking der Fall. Diese Methode hat viele Vorteile und daher forschen wir auf diesem Gebiet.
Wie funktioniert Redirected Walking?
Beim Redirected Walking wird der User beim Gehen durch die virtuelle Welt gesteuert und umgelenkt ohne es zu merken. Die Perspektive des Bildes in der VR-Brille ändert sich unbemerkt vom User, so dass er unbewusst die Gehrichtung ändert, um sein Ziel zu erreichen. Schließlich denkt er zum Beispiel, dass er eine weite Strecke geradeaus zurück gelegt hat, obwohl er in Wahrheit immer im Kreis gegangen ist. So kann der User eine recht große virtuelle Welt zu Fuß erforschen, während die reale Welt, in der er sich wirklich bewegt, um einiges kleiner ist. Motion Sickness wird hier vorgebeugt, da die gefühlten und gesehenen Sinneseindrücke weitgehend übereinstimmen. Doch das geht natürlich nur bis zu einem bestimmten Punkt. Irgendwann merkt ein Körper, dass er manipuliert wird. An der Erforschung dieser Wahrnehmungsschwellen haben wir in den vergangenen Jahren gearbeitet.
Eure Forschung ist also keine reine Rechenleistung?
Genau, in unserem Forschungsteam arbeiten wir zusammen mit Psychologen. Wir wollten die Grenzwerte herausfinden, innerhalb derer der Gleichgewichtssinn nicht irritiert wird durch die Umlenkung des Users per Bildmanipulation. Denn wird der User zu stark umgeleitet, also geht er zum Beispiel einen zu engen Kreis, obwohl ihm die virtuelle Welt vorgaukelt, er gehe geradeaus, schlägt der Körper Alarm und es kommt zu Motion Sickness. Unser Ziel ist es, dass sich der User intuitiv in der virtuellen Welt bewegen kann, ohne dass ihm übel wird.
Wie können Unternehmen von diesen Entwicklungen profitieren?
Für Ingenieursaufgaben und in der Konstruktion wird VR heute schon erfolgreich eingesetzt. Künftig werden viele weitere Unternehmensbereiche dazukommen. Die nächste große Einsatzmöglichkeit für VR sehe ich bei Sicherheitstrainings für Mitarbeiter. Redirected Walking ist hier super einsetzbar, da es Motion Sickness entgegenwirkt und Immersion zulässt.
Wie schätzt du die Bedeutung von VR-Anwendungen für Unternehmen in der Zukunft ein?
Langfristig wird der Einsatz von Virtual Reality in Unternehmen zum Standard gehören. In einigen Berufen wird die VR-Brille den Monitor sogar komplett ersetzen. Schon heute sind die Lösungen auf dem Markt benutzerfreundlich: Die Steuerung ist intuitiver geworden, die Grafiken sind realistischer, Motion Sickness wird mit technischen Neuerungen entgegengewirkt. Forscher und Entwickler arbeiten ständig an Verbesserungen. VR ist nicht zu stoppen und wird künftig selbstverständlicher Bestandteil in Unternehmen sein.
Mehr zum Thema Redirected Walking, gibt es hier.