Schönster, bester, erster. Im Wettstreit um Kunden und Mitarbeiter muss man auffallen und die Konkurrenz übertreffen. Der Einsatz von Virtual Reality ist ein beliebtes Mittel, um seine Vorreiter-Rolle zu demonstrieren. Dabei ist über die letzten 10 Jahre eine bemerkenswerte Veränderung festzustellen. Früher wurde die Virtual Reality genutzt, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Heute schließen sich im Wettbewerb stehende Unternehmen zusammen, um ein gemeinsames VR-Projekt zu realisieren. Davon profitieren insbesondere mittelständische Unternehmen. Wieso das so ist, schauen wir uns in diesem Artikel an konkreten Kundenprojekten an.
Der Hype ist durch
Kurzer Rückblick: Als Oculus 2016 die erste „richtige“ VR-Brille für Endnutzer auf den Markt brachte, war das der Beginn des Virtual-Reality-Hypes. Alle, die sich als Vorreiter darstellen wollten, haben VR als innovatives Medium gesehen und wollten es für sich benutzen. Allerdings wusste kaum jemand, wie man das Medium richtig gebrauchen konnte. Darum wurden viele „Wir wollen irgendwas mit VR machen“-Projekte umgesetzt, die wenig Sinn aber viel Show hatten.
Nach dem Hype, ca. 2018 bis 2019, war VR nicht mehr innovativ genug, um als Statussymbol zu dienen. Zu der Zeit kamen die ersten „echten Vorreiter“ darauf, wie man VR sinnvoll nutzen konnte. Insbesondere Trainings wurden zu dem Zeitpunkt in VR realisiert, die in real mit Gefahren und großem Aufwand verbunden waren.
Heute in der Post-Coronazeit wird Virtual Reality von immer mehr Menschen und Unternehmen richtig verstanden. Viele haben Ideen, wie sie die VR für sich sinnvoll einsetzen könnten. Zum Beispiel für Produkt-Visualisierungen, für Mitarbeitergewinnung oder Trainings und Onboardings. Doch gerade für kleine und mittelständische Unternehmen sind die Kosten einer VR-Entwicklung immer noch recht hoch, verglichen mit alternativen Methoden wie z.B. PowerPoint-Präsentation erstellen oder ein Video produzieren.
Die Entwicklungskosten aufzubringen ist nicht das Problem, aber es stellt sich für viele die Frage, ob sich das Investment lohnt, was man dafür bekommt und wie man es tatsächlich einsetzen würde. Es fehlen einfach gesagt die Erfahrungen, um eine Entscheidung treffen zu können. Und hier kann eine Kooperation mit einem anderen Unternehmen sinnvoll sein.
Kooperation mit Partner
Unser erstes Beispiel für eine gelungene Kooperation kommt aus Österreich: Die GBD ist eine Zertifizierungsstelle für eine große Anzahl von Prüfungen: Von Fassaden bis zu Seilbahnen werden von der GBD abgenommen. Die Prüfstände und Methoden sind teilweise sehr einzigartig. Aber in erster Linie sind sie immobil. Es ist für GBD auf Messen und bei Kundenterminen schwer zu vermitteln, was das Besondere an den Methoden an deren Standorten ist. Deshalb haben sie von uns eine App entwickeln lassen, in der wir alle Prüfarten virtuell vorstellen und mit 360°-Videos dokumentiert haben. Der Aufwand für die Entwicklung der App und der Erstellung aller Aufnahmen war entsprechen hoch.
Die GBD arbeitet mit einer Prüfstelle für Brandschutzsicherheit zusammen, der IBS. In einem Kooperationsprojekt wurde die VR-App für beide Firmen zusammen realisiert. So konnten sich die Unternehmen die Kosten für Drehs und Entwicklung teilen. In der App kann leicht erkannt werden, welche Leistung von welchem Unternehmen erbracht wird. Es gibt einige Überschneidungen in den Leistungen der beiden Unternehmen, sodass sie teilweise in Konkurrenz stehen. Aber insbesondere die Spezialgebiete und Alleinstellungsmerkmale der Firmen wurden in der App fokussiert.
Es ist logisch, sich für ein Gemeinschaftsprojekt mit befreundeten Firmen zusammenzuschließen. Aber kann auch eine Partnerschaft mit der Konkurrenz sinnvoll sein?
Gemeinschaftsprojekte
Interessant ist der Ansatz des Projekts „Arbeitswelten“ in Rottweil. Die Region Rottweil hat viele mittelständische Unternehmen. Auch wenn es dort sehr lebenswert ist, ist es schwierig, neue Mitarbeiter in die Region zu bekommen. Darum hat sich der gemeinnützige Verein Campus Schule-Wirtschaft das Ziel gesetzt, die jungen Menschen in der Region zu halten, denn interessanterweise kennen die Schülerinnen und Schüler kaum das Jobangebot in ihrer Heimart. Sie suchen nach Ausbildungsplätzen und Arbeitsplätzen in den größeren Städten außerhalb von Rottweil.
CampusSW hat ein Gemeinschaftsprojekt initiiert, an dem viele regionale Unternehmen teilnehmen. In einem Ausstellungsraum kommen alle Schulklassen aus der Umgebung regelmäßig zu Besuch und können sich über die Firmen in der Region informieren. Im Zentrum der Ausstellung ist die von uns entwickelte VR-Plattform „Arbeitswelten“ auf bereitgestellten VR-Brillen erlebbar. Die jungen Menschen können so spielerisch ausprobieren, wie sich eine Ausbildung oder ein Job in der Firma anfühlen würde.
Schwerer Start
Zu Beginn war es nicht so einfach, Teilnehmer zu gewinnen: Es gab kaum Erfahrungen mit VR bei den Unternehmen. Auch ein Projekt mit der Konkurrenz zusammen zu machen war ungewohnt. Aber ein paar Mutige haben den Start gemacht. Und dann ist eine interessante Dynamik entstanden:
Die ersten Teilnehmer an dem Gruppenprojekt haben ihre ersten Erfahrungen mit VR gemacht. Sie haben ein Gefühl für Möglichkeiten, Aufwand und Budgets bekommen. Mit diesen Erfahrungen wurde die große Unbekannte „Virtual Reality“ zu einem greifbaren Medium.
Die Basis-Anwendung wurde anteilig von den teilnehmenden Ausstellern getragen und durch eine regionale Förderungen subventioniert. Dadurch konnte eine sehr hochwertige und funktional umfangreiche App entwickelt werden. Alle Aussteller profitieren von dieser gemeinsamen Basis, denn jeder musste nur einen Teil davon finanzieren. Der größte Teil der einzelnen Budgets ging in die Umsetzung der eigenen Inhalte.
Der individuelle Vorteil
Und dann hat sich eine neue Dynamik entwickelt. Als die Projektpartner ihr eigenes Produkt selbst in der VR ausprobiert haben, konnten sie die Möglichkeiten von Virtual Reality erstmals abgeschätzt. Schnell kam der Wunsch auf, die App auch außerhalb des Veranstaltungsraums zu nutzen und zum Beispiel zu Kunden-Terminen mitzunehmen oder für Schulungen zu verwenden.
Im ersten Schritt bildete die gemeinsame App die Basis für die individuellen Inhalte. Im zweiten Schritt bilden die individuellen Inhalte die Basis, um eigenständige Apps mit neuen Schwerpunkten zu entwickeln. Das Gemeinschaftsprojekt ist also der Startschuss für viele kleine Einzelprojekte.
In den neuen Apps können Funktionen der Gesamt-App übernommen werden, wodurch es für jeden einzelnen günstiger wird, wenn sie ihre Einzel-Weiterentwicklung starten.
Aktuell laufen sogar Gespräche zur Kooperation zwischen Unternehmen, die eigentlich in Konkurrenz stehen (in diesem Falle um Mitarbeiter). Sie möchten eine gemeinsame App entwickeln, um von dem höheren Gesamtbudget zu profitieren.
Fazit
Die Möglichkeiten und Vorzüge von Virtual Reality können von vielen Unternehmen noch nicht gut eingeschätzt werden. Um erste Erfahrungen zu sammeln kann es sinnvoll sein, sich mit anderen Unternehmen zusammen zu schließen, um eine gemeinsame App zu entwickeln. Die initialen Kosten können geteilt werden und man erhält eine umfangreichere App. So kann das eigene Risiko gesenkt und viele Erfahrungen gemacht werden.
Gemeinschaftsprojekte in VR lohnen sich. Sie sind mehr als nur die Summe der einzelnen Beiträge.